Tag 5 – Vom Flughafen in die Wildnis: Aufbruch nach Ripley Creek

Heute hieß es: früh raus und tief durchatmen – nicht nur wegen der Uhrzeit, sondern auch, weil ich das Gefühl hatte, dass der „eigentliche“ Teil dieser Reise nun beginnt. Der Tag startete mit einem Kaffee und Blick auf das Vorfeld des Vancouver International Airports. In der Jetside Bar des Fairmont Hotels, wo ich auch gestern zu Abend gegessen hatte, bestellte ich mein Frühstück à la carte: Eggs Benedict auf Portobello-Pilzen, dazu ein Cappuccino. Lecker – wenn auch nicht ganz praktisch. Ein Buffet hätte mir persönlich besser gefallen, denn mit wachsender Uhr wurde ich zunehmend nervöser: Ich wollte pünktlich beim Check-in für meinen Flug nach Terrace sein.

Wie sich herausstellte: völlig unnötige Hektik. Der Flieger hatte über 20 Minuten Verspätung.

Am Gate traf ich auf eine Gruppe sportlich aussehender Skifahrer und -fahrerinnen – offensichtlich Gleichgesinnte. Sie hatten Skischuhe im Gepäck und diesen besonderen, leicht aufgeregten Blick, den man nur hat, wenn ein großes Abenteuer bevorsteht. Schnell kam ich ins Gespräch: Auch sie hatten bei Last Frontier Heliskiing gebucht. Und alle kamen aus Vancouver – mit regelmäßigen Skitrip Wochenden in Whistler, wie sie mir stolz erzählten.

Doch dann, mitten im Flug, die kleine Enttäuschung: Sie alle waren auf dem Weg zur Bell 2 Lodge, der zweiten Last-Frontier-Location, noch weiter im Nirgendwo. Ich hingegen sollte nach Ripley Creek gebracht werden. Also: neue Bekanntschaften, neue Gruppe – aber kein Grund zur Sorge. Skifahrer sind in der Regel unkomplizierte Menschen. Ich war sicher, auch dort interessante Leute kennenzulernen.


Willkommen in der Wildnis

Die Ankunft in Terrace war… beeindruckend. Und nicht nur wegen des bewölkten, aber trockenen Wetters. Gleich im Ankunftsbereich des Flughafens stand ein ausgestopfter Eisbär, der mehr über die Region verriet als jedes Tourismusplakat. Aber ich war nicht allein: Eine Mitarbeiterin von Last Frontier wartete bereits und begrüßte uns herzlich.

Die Fahrt nach Ripley Creek sollte etwa vier Stunden dauern – in einem bequemen Reisebus. Unsere Fahrerin: eine Dame von geschätzten über 70 Jahren, die den Bus mit stoischer Ruhe durch das weite kanadische Hinterland manövrierte. An Bord gab es eine Lunchbox: Hähnchenwrap, frisches Gemüse, Hummus, ein Mini-Babybel, eine kleine Tafel Ritter Sport – und damit mehr als mancher Bordservice im Flugzeug.

Bevor wir losrollten, gab es eine Sicherheitseinweisung à la Flugzeug: Notausgänge, Türverriegelung, Verhalten im Notfall. Besonders erwähnenswert: Unsere Fahrerin führte ein satellitengestütztes Notrufgerät mit – denn hier draußen gibt es stellenweise weder Netz noch Zivilisation. Genau aus diesem Grund sind Funktionen wie Apples Satelliten-SOS in modernen Smartphones hier mehr als Spielerei – sie können lebenswichtig sein. Zum Glüc habe ich das neueste Modell dabei. Man weiß ja nie.


Begegnungen, Berge, Busfahrt

Ich war der letzte, der zur Gruppe stieß – viele hatten bereits eine Nacht in Terrace verbracht, wo, wie man mir versicherte, absolut nichts los ist. Ich wurde freundlich empfangen und sogar ein wenig beneidet, weil ich vorher noch in Whistler war. Und alle waren sich einig: Ihre Reiseorganisation hätte ein bisschen optimierter laufen können.

Im Bus stellte sich heraus, dass ich mich genau zwischen eine kleine Gruppe deutscher Mitreisender gesetzt hatte – darunter ein zweiter Christoph. Die Welt ist klein. Die Fahrt folgte dem Skeena River entlang des gut ausgebauten Stewart-Cassiar-Highways, durch endlose Landschaft, mit schneebedeckten Bergen, Gletschern und Nadelwäldern.

Nach etwa einer Stunde hielten wir an einer Tankstelle in Kitwanga, die sich fast wie eine Filmszene anfühlte. Innen: Indianer-Kunst auf den Tischen, warmgehaltene Pizza, Hot Dogs. Ein öffentlicher Fernsprecher hing noch an der Wand – ob er funktionierte, ließ ich offen. Außen: Vintage-Zapfsäulen. Der Sprit kostete umgerechnet etwa 1,05 € pro Liter. Kanadisches Provinzleben pur.


Kein Netz, aber volle Steckdose

Kurz nach der Rast war Mobilfunknetz dann bis zum Zielort passé – kein Empfang, kein WLAN. Immerhin: Steckdosen im Bus waren vorhanden. Es stellte sich bis dahin übrgens heraus, dass meine Entscheidung, nicht auf eine kanadische eSIM zu setzen, sondern stattdessen das Roamingpaket der Telekom zu buchen, goldrichtig war.
Ein Mitreisender mit eSIM ärgerte sich über seinen schlechten Empfang, während ich weiterhin LTE hatte. Noch dazu war mein Handy voll geladen – der perfekte Moment, um zu überprüfen, wie tief die Aktien gefallen waren, während ich mich dem echten Leben in den Bergen widmete.


Ankunft in Stewart – Filmreif, aber echt

Gegen 13:20 Uhr erreichten wir Stewart, ein fast verlassenes Bergarbeiter-Städtchen, das eher nach Western-Kulisse aussieht als nach realem Ort. Doch hier beginnt für mich das Heliski-Abenteuer – ganz real, ohne Filmteam, aber mit echten Bergen.

Der Nachmittag war ganz der Sicherheit gewidmet: Einweisung ins Heliski-Programm, Verhalten am Heli, Ablauf beim Ein- und Aussteigen, Verhaltensregeln im Gelände. Und natürlich: Lawinentraining. Das verdient einen eigenen Beitrag – dazu später mehr.

Und wie immer: Erster Check – wie steht’s mit dem Internet? Zu meiner Überraschung: LTE mit 8 Mbit, Hotspot tauglich – und somit beste Bedingungen, weiter aus Kanada zu berichten.


Der Abend: Kontakte knüpfen, Gruppen bilden

Beim Abendessen lernte ich meine neue Skigruppe kennen – 20 Heliski-Enthusiasten aus aller Welt. Mit dabei: Skifahrer aus Deutschland, der Schweiz, Spanien, Australien und den USA – unter anderem aus Seattle und Montana. Eine bunte, spannende Mischung, die den kommenden Tagen sicherlich noch mehr Farbe verleihen wird.

Und es gab gleich gute Nachrichten: Morgen fliege ich in einer kleinen Dreiergruppe – gemeinsam mit Alfonso, einem Airbus-Piloten von Iberia aus Spanien, und Damien, den ich bislang noch nicht gesprochen habe.
Die Spannung steigt – das große Abenteuer steht vor der Tür.

Nach oben scrollen