Tag 7 – Zwei Abfahrten, ein Regenloch und ein Abstecher nach Alaska
Der heutige Morgen begann mit vorsichtiger Hoffnung. Zwar war der Himmel weiterhin grau und wolkenverhangen, doch immerhin konnte man die Silhouetten der Berge wieder erkennen. Und das allein war schon ein Fortschritt.
Die Wettervorhersage meldete -6 bis -8 Grad auf 2000 Metern und gut 15–20 cm Neuschnee in den vergangenen 24 Stunden – perfekte Voraussetzungen für frischen Powder. Doch wie immer im Gebirge: Was verheißungsvoll beginnt, endet nicht immer wie geplant.
Frühstart mit Euphorie
Heute war unsere Gruppe an der Reihe, direkt von der Helibase in die Berge zu starten – ein Privileg, auf das man im Rotationssystem von Last Frontier durchaus gespannt wartet.
Pünktlich um 9:00 Uhr hoben wir ab und wurden auf einen Gipfel auf rund 1.500 m Höhe geflogen. Der frische Neuschnee fühlte sich fantastisch an – weich, griffig,
Wir machten zwei traumhafte Abfahrten – tief, locker, genau die Art Schnee, für die man all die Mühen der Anreise auf sich nimmt.
Doch nach dem kurzen Höhenflug kam die Ernüchterung: Im Tal zog es plötzlich zu, die Wolkendecke senkte sich, und es wurde schnell klar, dass heute wohl nicht mehr viel gehen würde.





Schneepause statt Skitage
Unser Guide entschied frühzeitig, zur Baumgrenze hinabzufahren, wo uns der Helikopter abholen sollte. Zum Glück dauerte das Warten trotz schlechter Sicht nur etwa 15 Minuten – was in dieser Gegend als Glücksfall gilt.
Während unsere Heli-Crew mit dem zweiten Helikopter das Gelände nach Alternativen absuchte, erreichten uns bereits Berichte von anderen Gruppen: Teilweise konnten sie gar keine Abfahrt machen, weil der Schnee an ihrer Landezone eine harte Windkruste hatte.
So gesehen hatten wir mit unseren beiden Runs sogar noch Glück.
Zurück am Startplatz gönnten wir uns Carrot Cake und heißen Kaffee, bis dann entschieden wurde, das wir zum Lunch zurück nach Stewart fliegen bzw. fahren würden. Dort starten warteten wir alle 45 Minuten auf ein Update, ob wir heute noch einmal in die Berge kommen würden. Doch die Sicht besserte sich nicht – im Gegenteil: Immer wieder Nieselregen. Gegen 13:45 Uhr kam die Entscheidung: Feierabend für heute.
Was tun in der Wildnis ohne Schnee?
Wenn der Helikopter am Boden bleibt, bleiben einem in Stewart nicht viele Optionen. Lifte gibt’s hier keine – der nächste Sessellift ist ein paar hundert Kilometer entfernt. Manche Heliski-Anbieter operieren in der Nähe klassischer Skigebiete – bei Last Frontier ist man jedoch tatsächlich am Ende der Zivilisation. Und genau das ist ja auch der Reiz.
Aber: Ganz ohne Plan B wollten wir den Nachmittag nicht verstreichen lassen. Also beschlossen wir, einen Spaziergang zu machen – nach Alaska. Zu Fuß.
Hyder, Alaska – ein Ort, den man (nicht) gesehen haben muss
In weniger als einer Stunde erreichten wir die US-Grenze. Oder das, was davon übrig war.
Ein amerikanischer Grenzposten? Fehlanzeige. Man betritt die Vereinigten Staaten hier komplett unkontrolliert.
Umgekehrt sehen das die Kanadier etwas enger – beim Verlassen des Landes wurden wir höflich darauf hingewiesen, doch bitte unsere Pässe dabeizuhaben, denn die Wiedereinreise sei ohne Papiere ein Problem.
Und tatsächlich: Auf dem Rückweg wartete ein kanadischer Grenzbeamter, der es sehr genau nahm. Wann ich nach Kanada eingereist sei, ob ich etwas gekauft hätte, ob ich Gras oder Waffen mitführe – alles wurde freundlich, aber bestimmt abgefragt. Dabei wusste der Beamte genau, dass in Hyder alles geschlossen war.
Die große Leere hinter der Grenze
Und Hyder selbst? Nun ja. Wenn ihr dachtet, Stewart sei verschlafen, dann ist Hyder im Koma.
Alle Häuser wirkten verlassen, teils verfallen. Die Straßen gesäumt von vergessenen Autos, aufgegebenen Motels, geschlossenen Souvenirshops – selbst die einzige Kneipe hatte zu, obwohl draußen „Open“ angeschrieben war. Fakenews!
Der berühmte „Hyderize“-Shot, bei dem man offiziell in den Kreis der Alaska-Veteranen aufgenommen wird? Leider nur über die ein kleines Fenster zu erahnen – die Besitzerin war nicht da.











Wenn ich Hyder bewerten müsste, sähe meine Google-Rezension wohl so aus:
„Hyder, Alaska – keine Menschen, keine offene Kneipe, keine Messe, kein Elch. Nur Regen, verfallene Häuser und eine Menge verlassener Fahrzeuge. Ich bin nur froh, dass mich kein Bär erwischt hat und mich meine Freunde wieder abgeholt haben. 1 Stern – weil 0 Sterne nicht geht.“
Jetzt aber noch ein paar echte Informationen zu Hyder:
🗺️ Hyder, Alaska – Amerikas vergessene Ecke
Hyder ist der südlichste Ort in Alaska, den man auf dem Landweg erreichen kann – allerdings nur über Kanada. Eine Straße hinein, keine Straße hinaus: Hyder ist, geografisch wie auch emotional, eine echte Sackgasse.
Gegründet wurde der Ort um 1914, als in der Region Gold und Silber entdeckt wurden. Wie so oft in der Geschichte des Nordens lockten die Minen Glücksritter und Siedler an. Damals florierte die Region rund um Salmon River und Stewart, und Hyder war so etwas wie die amerikanische Schwesterstadt des kanadischen Stewart – mit Bars, Hotels und Versorgungsstationen für die umliegenden Claims.
Seinen Namen verdankt Hyder einem kanadischen Beamten: Frederick Hyder, ein früher Befürworter der wirtschaftlichen Erschließung der Region.
Doch der Boom war nicht von Dauer. Als die Minen nach und nach geschlossen wurden, verlor der Ort seinen Zweck – und seine Menschen. Heute leben hier nur noch rund 60 Einwohner, viele davon abseits jeder Infrastruktur.
Ein Ort zwischen Mythen und Mücken
Hyder ist legendär – zumindest dem Namen nach. Besonders bekannt ist der Ort für:
- den “Hyderize”-Shot in der Glacier Inn Bar (leider derzeit geschlossen),
- die bärenreiche Wildlife-Beobachtungsplattform am Fish Creek,
- und das einmalige Gefühl, in einer quasi rechtlosen Zone zu stehen: kein US-Zoll, keine sichtbaren Beamten, aber jede Menge Geschichten.
Im Sommer verirren sich einige Wohnmobile und Kreuzfahrttouristen hierher, die über Stewart und eine kurze Landverbindung in die USA reisen. In den Wintermonaten aber wirkt Hyder fast vollständig verlassen – eine Mischung aus Geisterstadt, Open-Air-Schrottplatz und stillem Mahnmal vergangener Hoffnungen.
Fun Fact für deine Leser:
Hyder ist so klein, dass es kein eigenes Stromnetz hat. Der Strom kommt – wie die Straße – aus Kanada. Auch Telefonnetz, Internet und Schulversorgung laufen über British Columbia. Inoffiziell fühlt sich Hyder für viele eher kanadisch an – obwohl hier mit US-Dollar gezahlt wird und amerikanische Fahnen wehen.
Entspannung zurück im “Eastern Sektor”
Immerhin hatte ich vorgesorgt: Meinen Massagetermin hatte ich vorsorglich um einen Tag vorverlegt.
Unsere Masseurin Sabrina, die uns heute sogar bei unseren beiden Runs auf dem Berg begleitet hatte, knetete meine müden Muskeln mit professioneller Hingabe wieder weich. In Kombination mit einem kurzen Saunagang war ich danach entspannt wie selten zuvor – und bereit für den nächsten Tag.

Fazit des Tages? Ein Heli-Tag fast ohne Höhenmeter, aber mit Tiefgang.
Wir alle hoffen auf besseres Wetter morgen. Denn die Zeit läuft, und die verpassten Höhenmeter der ersten beiden Tage wollen irgendwann doch noch gesammelt werden. Das letzte was hier jemand will ist eine Erstattung weil die zugesicherten Höhenmeter nicht erreicht werden konnten. Lieber würden wir Gäste aufzahlen um mehr zu abzufahren!
Zum Glück war das Abendessen erneut ein kleines Fest – und mit einem Glas kanadischen Rotwein aus British Columbia in der Hand ließ sich selbst ein verregneter Tag mit “enttäuschendem” Besuch in Alaska irgendwie genießen.

Gute Nacht aus Stewart – morgen geht’s hoffentlich wieder in die Luft.