Tag 3 – Ein Skitag voller Sonne, Schwung und skurriler Vögel

Auch mein zweiter Skitag in Whistler begann mit einem Bild wie aus dem Katalog: blauer Himmel, strahlende Sonne und die Berggipfel leuchteten im Morgenlicht. Zwar zogen im Tagesverlauf einige Wolken auf, die leise vom bevorstehenden Wetterwechsel kündeten – dem Skivergnügen tat das aber keinen Abbruch.

Überrascht war ich allerdings, wie viele Menschen schon früh am Morgen am Lift standen. Kurz sah ich mich schon in langen Warteschlangen gefangen – doch zum Glück kam es anders. Das Skigebiet ist weitläufig, und während sich an einzelnen Liften die Massen knubbelten, waren andere Bereiche fast menschenleer. Ein System, das hier wirklich clever funktioniert.

Vor allem das „Single Rider“-System verdient Lob. Wer allein unterwegs ist, kann sich in eine eigene Linie einreihen und füllt damit leere Plätze in den Sesselliften. Und das Beste: Die berühmte kanadische Freundlichkeit zeigt sich auch hier. Bevor man sich zu einer Gruppe setzt, wird freundlich gefragt, ob noch Platz ist. Kein Gedrängel, kein Genörgel – nur entspannte Höflichkeit. Selbst für Skischulen gibt es eigene Zugänge an der Talstation – ein Konzept, das man sich für europäische Skigebiete längst wünschen würde.

Tatsächlich musste ich nur an einem Lift ernsthaft warten: dem Symphony Express. Und das war ausgerechnet der unterhaltsamste Moment des Tages. Während ich mich wunderte, warum so viele Skifahrer ihre Stöcke in die Luft hielten, stellte sich schnell heraus, dass es nicht um Gruppenerkennung ging, sondern um… Vögel. Ja, richtig gelesen. Kleine, neugierige Vögel, die sich auf den Stockspitzen niederließen, manche sogar auf ausgestreckten Händen landeten. Eine Szene fast wie aus einem Disney-Film – und mein unerwartetes Tageshighlight.

Technisch hinkt Whistler zwar in Sachen Liftkomfort (keine Hauben, keine Sitzheizungen, viele ältere Anlagen), doch bei der Digitalisierung zeigt sich das Skigebiet erstaunlich fortschrittlich. Das Liftticket kann per App gebucht werden – mit Bluetooth-Zugang direkt am Drehkreuz. Und die App selbst? Durchdacht wie ein Freizeitpark-Tool. Die Pistenkarte zeigt Live-Wartezeiten an den Liften, Pistenzustand (denn nicht alles wird präpariert) aktuelle Wetterdaten von mehreren Stationen, und es gibt ausführliche Statistiken zum Schneefall. In dieser Hinsicht könnten sich viele europäische Gebiete tatsächlich etwas abschauen.

Was mir hier in Kanada ebenfalls auffällt: Man kommt mit den Leuten ins Gespräch – fast von selbst. Ob im Lift oder im Shuttlebus, überall ergibt sich ein kleiner Schwatz. Da war zum Beispiel Karen, mit der ich bereits auf dem Weg nach Whistler plauderte. Sie ist Coach und stellte fest, dass Deutschland und Kanada in vielen gesellschaftlichen Fragen erstaunlich ähnliche Herausforderungen haben. Im Sessellift traf ich Dave, einen Werbefilmproduzenten mit Wohnsitz in Whistler – wegen seiner Kinder, die beide Skirennen fahren. Oder Tom, ein Commodity Trader aus Vancouver, ursprünglich aus den Philippinen, heute Freiberufler im Rohstoffhandel mit Aserbaidschan. Und dann war da noch Peter, ein älterer Herr, der mir erzählte, warum er so gern in Whistler Urlaub macht: die Sauberkeit, die Freundlichkeit der Menschen – und im Gegensatz zu Vancouver: keine allgegenwärtige Obdachlosigkeit.

Natürlich kommt immer die Frage: „Where are you from?“ Und wenn ich „Germany“ sage, ist die Reaktion bislang durchweg positiv. Keine Klischees, keine Vorurteile – nur Neugier und Interesse.

Heute konnte ich meine Streckenwahl bewusster treffen, nachdem ich mich gestern orientiert hatte. Besonders eindrucksvoll war die Abfahrt durch die Whistler Bowl – ein Gelände, das offiziell befahrbar ist, aber viel Freiheit lässt. Auffällig: Wer in höhergelegene Bereiche aufsteigen will, darf das nur an speziell freigegebenen Stellen. Kein Wunder – bei der Größe des Areals muss Lawinensicherheit an oberster Stelle stehen. Querfeldein-Tourengeher wären da einfach ein unkalkulierbares Risiko.

Am späten Nachmittag setzte ich mir dann ein simples Ziel: Höhenmeter sammeln. Ich fuhr, bis die Lifte schlossen – und am Ende standen über 13.000 Höhenmeter auf der Uhr. Mehr als gestern, trotz weicherem Schnee und vollerem Skigebiet. Mein geliehener Völkl-Ski ließ sich auch heute wieder gut fahren, selbst in schwierigeren Passagen – von denen es einige gab, teils freiwillig, teils unfreiwillig. Aber ich bin ohne Sturz durch den Tag gekommen, und das ist doch ein schönes Fazit.

Ein weiteres Mal ging ein eindrucksvoller Skitag zu Ende. Und während der Himmel sich langsam zuzog, blieb die Sonne in meinem Kopf.

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