Tag 6 – Gestrandet am Berg: Mein erster Heliski-Tag zwischen Pulver, Pech und Planen

Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich meinen ersten Heliski-Tag unter einem notdürftig errichteten Zeltdach aus Skistöcken und Planen mitten im kanadischen Nirgendwo verbringen würde – ich hätte wohl gelacht. Und trotzdem sitze ich genau hier, eingehüllt in Schneeflocken, irgendwo zwischen Tannen, Felsflanken und grauem Himmel, während ich diesen Blogbeitrag diktiere. Der Helikopter steht bereit, darf aber wegen der miserablen Sicht nicht starten. Und wir? Sitzen einfach da, in der Wildnis, machen Witze, und warten auf besseres Wetter.

Aber zurück zum Anfang.


Ein wolkenverhangener Start in ein großes Abenteuer

Der Tag begann mit gemischten Gefühlen: In der Nacht hatte es geregnet, und auch beim morgendlichen Wetterbriefing war der Himmel schwer und grau. Normalerweise beginnt das Skiprogramm um 9 Uhr – heute wurde der Start wegen der Wetterlage um eine Stunde verschoben. Einerseits war ich enttäuscht, andererseits erleichtert, dass wir überhaupt loskamen.

Wie schon am Vortag erwähnt, wurden wir im Vorfeld in kleinere Skigruppen eingeteilt. Drei Gruppen teilen sich jeweils einen Helikopter, aber nur eine davon wird direkt von der Basis abgeholt – die anderen fahren per Shuttle zu einem externen Landeplatz. Heute war ich nicht in der „Startgruppe“, also hieß es erst mal: Transporter statt Heli.

Vor dem Abflug musste unser Helikopter noch betankt werden – mit Sprit aus einem unscheinbaren schwarzen Pickup, der wie ein ganz normaler Truck aussah, aber tatsächlich als mobiler Tankwagen diente. Tanklager in der Wildnis sind essenziell, um lange Flugzeiten ohne Rückkehr zur Basis zu ermöglichen – jedes eingesparte Flugminute spart bares Geld.


Erste Abfahrt, erster Sturz – und eine Lektion in Demut

Unser erstes Ziel lag auf etwa 1.350 Metern Höhe, mit rund 300 Höhenmetern Abfahrt. Der Schnee war weich, teils feucht – und meine geliehenen, extra breiten Ski fühlten sich noch ungewohnt an. Dann kam, was kommen musste: ein versteckter Eisball, ein unglücklicher Schwung, und schon lag ich da – der erste Sturz der Gruppe.

Ein bisschen peinlich, ja. Aber glücklicherweise blieb es bei einer leichten Rippenprellung – verursacht vom Lawinensuchgerät beim Aufprall. Schnell aufgestanden, Schnee abgeschüttelt, weiter ging’s. Und zum Trost: Ich war nicht der Einzige, dem heute ein Missgeschick passierte.


Skifahren im Nebel – und mit Charakter

Wegen der schlechten Sicht blieb unsere Gruppe in einem begrenzten Gebiet. Die Landeplätze waren bald zerfahren, aber wir schafften einige gute Runs – besonders, als die Sicht kurz besser wurde und wir sogar bis auf 1.500 Meter aufsteigen konnten. Die besten Bedingungen gab es in den bewaldeten Zonen, wo Bäume für besseren Kontrast und Orientierung sorgten.

Mit mir unterwegs: Damian aus Australien, ein Mann, dessen Skireisen fast bei der 100. Station angekommen sind – und Alfonso, ein Airbus-Pilot aus Spanien, der sich heute noch an seine Backflip-Zeiten erinnerte. Die beiden fahren, wie viele hier, Ski mit Herzblut. Auch dabei: Teddy, der Ski-Techniker des Resorts, der heute einen Platz im Heli ergattert hatte – eine schöne Geste, die hier zum guten Ton gehört.


Mittagspause im Schnee – und dann: Stillstand

Zum Mittag buddelten die Guides kurzerhand einen Tisch aus dem Schnee, und es gab warme Suppe und Sandwiches – die Energie konnten wir gebrauchen. Einige Teilnehmer waren bereits müde vom schweren Schnee und wurden zurückgeflogen. Unsere Gruppe wollte jedoch weitermachen.

Doch die nächste Abfahrt sollte auch für uns die letzte sein.

Die Sicht verschlechterte sich rapide. Beim nun geplanten Rückflug hob der Heli zwar ab, musste aber kurz darauf wieder landen – es ging schlicht nichts mehr. Wir waren gestrandet.


Notfallzelt & kanadischer Galgenhumor

Gemeinsam mit einer zweiten Gruppe warteten wir nun unter einem improvisierten Unterstand, errichtet aus Planen, Skistöcken und der Hoffnung auf besseres Wetter.
Über 90 Minuten saßen wir im Schneegestöber, während die anderen Gruppen längst im Whirlpool entspannten. Natürlich wurde gewitzelt:
„Klar, bei 50 % Rabatt kriegt man halt auch nur 50 % Flugzeit…“


Ein Abenteuer, das hängen bleibt

Am Ende waren es nur sechs Abfahrten und rund 2.300 Höhenmeter – nicht gerade ein Rekord. Aber auch kein „Down Day“, wie man hier die Tage nennt, an denen wetterbedingt gar nichts geht. Und wer kann schon von sich behaupten, mitten im kanadischen Backcountry gestrandet zu sein – trotz funktionierendem Helikopter?

Beim Abendessen – mit hervorragendem kanadischen Wein aus British Columbia – tauschten wir unsere Geschichten aus. Jeder hatte eine Anekdote parat, jeder war ein bisschen stolz, dabei gewesen zu sein.
Und ich? Ich hatte einen neuen Blogbeitrag, der nicht vom perfekten Powder, sondern vom Unperfekten mit Charakter erzählt.

What a day!

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